Zweifellos darf man Oswald von Wolkenstein zu den bedeutendsten und interessantesten Persönlichkeiten des Hochmittelalters zählen.
Obwohl man von ihm mehr als über jeden anderen deutschen Dichter des Mittelalters weiß, so lässt sich das genaue Geburtsdatum nicht eindeutig feststellen. Mit größter Wahrscheinlichkeit wurde er zwischen 1376 und 1378 als Spross einer Tiroler Adelsfamilie, welche die Burg Wolkenstein erworben hatte und deren Namen trug, geboren.
Durch einen Unfall in früher Jugend verlor er sein rechtes Auge. Als Zehnjähriger verließ er mit seinem Herrn das Elternhaus und zog jahrelang durch viele Länder Europas und Vorderasiens. Er übte dabei die verschiedensten Berufe aus, wie Laufbote, Koch, Pferdemeister und Ruderknecht. Der angehende Ritter lernte Hitze und Kälte, Hunger, Durst und Anstrengungen ertragen. Gleichzeitig lernte er auch dichten, singen und musizieren.
In den fremden Ländern eignete er sich die notwendigsten Sprachkenntnisse an. Er beherrschte nicht weniger als zehn Sprachen, und zwar: Französisch, Maurisch, Katalanisch, Kastilisch, Deutsch, Lateinisch, Windisch, Lombardisch, Russisch und Ladinisch. Oft wird Oswald als der letzte Minnesänger bezeichnet, dieser Titel trifft aber nur teilweise zu, denn in seinem Leben hat er sich hauptsächlich mit Politik befasst. So stand er im Dienste mehrerer Könige und Fürsten. Als Gesandter des römisch-deutschen Kaisers Sigmund kam er an verschiedene europäische Höfe. Diese Gesandtschaftsreisen brachten ihm hohe Auszeichnungen ein, die er stets als Höhepunkte seines Lebens betrachtete.
Auch in der Landespolitik spielte er eine bedeutende Rolle. Mit dem Landesfürsten von Tirol, „Friedrich mit der leeren Tasche“, lebte er lange Zeit in Unfrieden, ja er war sogar dessen Gefangener. Später haben sich beide versöhnt. In seinen letzten Lebensjahren hat Oswald Tirol kaum mehr verlassen, er hatte hier in zahlreichen Ämtern ein Betätigungsfeld gefunden. Im Jahre 1417 heiratete Oswald Margarete von Schwangau, die ihm sieben Kinder schenkte. Oswald war stets bestrebt, seinen Besitz zu vermehren.
In einem Erbschaftsstreit mit seiner Geliebten, Sabine Jäger, wurde er von dieser in eine Falle gelockt, gefangengenommen und gefoltert, dass er später noch lange mit Krücken gehen musste. Als Minnesänger zeichnete er sich durch seine sensible Lebendigkeit in der Beschreibung der Frau aus. In seinen Liedern hat er sich auch mit der Natur, mit seinen Reisen und mit den Ereignissen der Zeitgeschichte befasst. Zahlreiche Gesangsvereine haben sich inzwischen der Liedkunst Oswalds angenommen. Nach einem bewegten Leben starb Oswald von Wolkenstein in Meran am 2. August 1445. Seine letzte Ruhe fand er im Kloster Neustift bei Brixen.
Textquelle: Mussner, Rudolf (2010), Nosta Sëlva - Wolkenstein in Gröden, 1. Auflage, Wolkenstein in Gröden